Medizin zum Selbermachen Rundbrief September 2020

Isotonisch – Verständnis eines Fachbegriffs

Ich wurde gebeten einmal zu erklären, was es mit dem Begriff „isotonisch“ auf sich hat.

Das ist ganz einfach. Es geht um die Elektrolytkonzentrationen in unseren Körperflüssigkeiten, namentlich dem Blutplasma oder auch auf Schleimhäuten. So ist den meisten bekannt, dass man etwa mit einer isotonischen Kochsalzlösung inhaliert, weil der Nebel mit der Lungenschleimhaut in Berührung kommt.

Genauer betrachtet, werden hier nicht nur die Konzentrationen der Elektrolyte, also Salze wir Natriumchlorid (Kochsalz), Magnesium- oder Kaliumchlorid oder auch Phosphate und Carbonate betrachtet/gemessen, sondern auch anderer Substanzen. Allerdings bestimmen die Elektrolyte zu ca. 95% den sogenannten osmotischen Druck des Blutplasmas.

Tatsächlich geht es nicht um die bloßen Konzentrationen dieser Inhaltsstoffe, sondern um ihre „osmotische Wirksamkeit“. Iso-tonisch, das hat ja etwas mit Tonus, also Spannung oder Druck zu tun. Um nun im Blut die physiologischen Vorgänge aufrecht zu erhalten, ist ein gewisser osmotischer Druck nötig. Wenn im Sommer der Regen auf reife Kirschen fällt, dann platzen sie auf. Dies ist die Wirkung des osmotischen Drucks. Das Regenwasser nämlich, enthält mengenmäßig sehr wenig Salze oder andere Inhaltsstoffe und ist somit hypotonisch, hat also im Vergleich zur Flüssigkeit im Inneren der Kirschen viel geringere Elektrolyt- oder Stoffkonzentration. Auch Zuckermoleküle tragen zum osmotischen Druck bei. Da die Natur stets einem Ausgleich zuarbeitet, nimmt also sie Kirsche das Regenwasser auf, welches die hohe Konzentration im Inneren verdünnen könnte. Jedoch platzt die Kirsche infolge der Größenzunahme bevor es dazu kommt.

Genau dies würde auch im Blut passieren, mit den Erythrozyten = rote Blutzellen, wenn wir beispielsweise hypotonische Infusionslösungen verwenden würden.

Konkret: Die normale osmotische Konzentration im Blutplasma beträgt 289 Milliosmol pro Liter Wasser. Diese wird mit einer handelsüblichen Kochsalzlösung 0,9% simuliert. Sie enthält 9 Gramm Natriumchlorid in einem Liter. Geringere Konzentrationen können wie erläutert die Blutzellen aufblähen und sehr viel höhere Elektrolytkonzentrationen können sie „austrocknen“ – sie nehmen dann eine Stachelform an.

Der Begriff isotonisch wurde irgendwann von der Werbeindustrie entdeckt und so werden inzwischen auch Getränke damit eingeordnet. Getränke können jedoch in einem weiten Bereich der Osmolarität liegen, da sie im Verlauf des Verdauungstraktes ohnehin „neu eingestellt“ werden – bis zu 20 Liter Magen- und Darmdrüsenflüssigkeit werden pro Tag beim Erwachsenen gebildet. Insofern ist es also bei Getränken weitgehend unerheblich ob sie im Bereich von 300 mosmol/L liegen oder nicht. Vom destillierten Wasser bis hin zum Salzwasser der Ozeane vertragen wir alles – in begrenzten Mengen jedenfalls.

Zusammenfassung: Mit “isotonisch“ werden allgemein Flüssigkeiten bezeichnet, die gleiche oder zumindest ähnliche Elektrolytkonzentrationen enthalten wie unser Blutplasma. Die Messeinheit ist Milliosmol (mosmol) pro Liter. Hierbei ist die Anzahl der Teilchen entscheidend, was zum Beispiel bedeutet, dass NaCl, also Natriumchlorid (Kochsalz), osmotisch gesehen, lediglich zwei Drittel der Wirksamkeit erbringt wie Magnesiumchlorid, MgCl2, da dieses Salz im Wasser in drei Teilchen „zerfällt“, nämlich ein Magnesium-Ion und zwei Chlorid-Ionen. Bei NaCl sind es nur zwei.

Ich erwähne das deshalb, weil ich sehr gerne das isotonische Meerwasser als Verdünnungsflüssigkeit für DMSO anwende, z.B. für die Augen-, Nasen- und Ohrentropfen, ebenso für Inhalationen und Einläufe. Meerwasser enthält ebenfalls Natriumchlorid, so wie die handelsüblichen Infusionslösungen, jedoch nur zu etwa 86%. Der Rest des Gesamtsalzgehaltes von Meerwasser der ca. 32 Gramm pro Liter ausmacht, wird von Magnesium, Kalium, Calcium und Sulfat gestellt. Etwa ein Prozent weitere Spurenelemente kommen noch dazu. Wenn wir also Meerwasser auf einen isotonischen Wert verdünnen wollen (entsprechend 0,9% NaCl), dann gelingt das, ohne Messgeräte, lediglich gerundet indem man den Gesamtsalzgehalt als Natriumchlorid annimmt. Auf dieser Basis wird dann mit reinem Wasser (Pharmazeutisches Wasser Ph. Eur.) verdünnt. Gerundet ist das Mischungsverhältnis also 1:3, so dass rechnerisch eine ca. 0,9%ige Salzlösung entsteht.