Medizin zum Selbermachen Rundbrief
Juni 2024

Benfotiamin –
Das bessere Vitamin B1 gegen Nervenschäden
Es wird ja sehr oft und sehr viel über sogenannte Bioverfügbarkeiten geredet/geschrieben. Meistens geht es dabei jedoch mehr um unbewiesenes Marketing, als um tatsächliche messbare Unterschiede, beispielsweise bezüglich unterschiedlicher Plasmakonzentrationen oder AUC Werte oder Ausscheidungsraten von Substanzen.
Insbesondere wenn es bei den Diskussionsobjekten um Salze geht, kann man generell annehmen, dass Bioverfügbarkeiten sich kaum unterscheiden. Woran liegt das? Nun, das haben wir alle in der Schule gelernt: Salze sind meist wasserlöslich und das bedeutet, dass sie in Wasser dissoziieren, so dass Kation und Anion des Salzes sich tatsächlich räumlich trennen und jeweils eine eigene Wasserhülle bekommen. Aquatisierung wird es auch genannt. In der Schule im Biologie Unterricht wurde das zum Beispiel so angeschrieben, etwa für Kochsalz, welches in Wasser eingerührt wird: NaCl → Na+aq + Cl¯aq
Hier wird also mit dem tiefgestellten aq, die wässrige, räumliche Trennung der beiden Ionen, aus denen das Salz besteht angedeutet.
Dies zeigt uns eindeutig, dass bei Salzen die Auswahl des jeweiligen Gegen-Ions, in Bezug auf die Bioverfügbarkeit, weitgehend bedeutungslos sein muss, da die Substanz nach Aufnahme im Körper gar nicht mehr als solche vorliegt.
Vielleicht erinnern sich manche an die groß aufgezogene Werbekampagne für das Ibuprofen-Lysinat, welches anstatt des „gewöhnlichen“ Ibuprofen angeblich viel besser bioverfügbar sein sollte. Eben weil man dieses Salz mit einer Aminosäure verwendet. Dazu lesen wir auf Wikipedia: „Einige Ibuprofenpräparate enthalten Ibuprofen-Lysinat, ein Salz aus Ibuprofen und der Aminosäure Lysin. Im Magen ist dieses Salz besser löslich, so dass es schneller vom Körper resorbiert und dadurch zu einem schnelleren Wirkungseintritt führen soll. Eine von Sanofi-Aventis finanzierte Studie aus dem Jahr 2020 mit 351 Teilnehmern widerlegte diese Theorie jedoch und zeigte, dass sich die Wirkungseintritte von Ibuprofen und Ibuprofen-Lysinat nicht signifikant unterscheiden.“
Nun könnte man sagen, dass der Auftraggeber dieser Studie vielleicht nicht ganz neutral agierte, jedoch ist es nur ein Beispiel von vielen, die durchgängig zeigen, dass Bioverfügbarkeiten von Salzen quasi gleichbleibend sind. An der Universität Gießen wurde einmal vor über 15 Jahren eine Studie zu den Bioverfügbarkeiten von ca. 10 verschiedenen, anorganischen sowie organischen Magnesiumsalzen gemacht, also etwa Magnesiumchlorid, Magnesiumcitrat, Magnesiumoxid, Magnesiumsulfat, usw.. Ergebnis: Keine signifikanten Unterschiede. Aktuell geht die Diskussion um, dass Lithiumorotat besser bioverfügbar sein soll, als Lithiumchlorid. Die Antwort auf diese Frage kann man sich nun selbst geben. Beide sind wasserlöslich …
Eine relative Ausnahme bilden Mineralstoffe, die „mimosenhaft“ bezüglich Aufnahme im Darm reagieren, also zum Beispiel Zink oder Eisen, bei denen es auch sehr auf die Art der Nahrung und den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme ankommt, weil sie kraft ihrer höheren Elektronenvalenzen leicht Komplexbindungen eingehen.
Außerdem: Die Messung von zeitabhängigen Plasmaspiegeln, Ausscheidungsraten, usw., ist ja gar kein Beweis etwa für die Aufnahme in Zellen, denn diese ist von vielen anderen individuellen und situationsbedingten Faktoren abhängig, so dass unabhängige Messungen eher unmöglich sind.
Es gibt jedoch auch Mittel bei denen das Thema Bioverfügbarkeit sehr wohl wichtig und entscheidend ist. Hierbei handelt es sich dann nicht bloß um Variationen von Salzen, sondern um tatsächlich unterschiedliche Stoffe. Unterschiedlich zum Beispiel in puncto lipophil/hydrophil, Molekülgröße/-form, Stereochemie, Ladung, u.a.
Und das führt uns zum Benfotiamin, welches eigentlich formal gesehen, ja „nur“ die biochemische Vorstufe des essentiellen Thiamins = Vitamin B1 ist. „Prodrug“ sagt man dazu neudeutsch. Vitamin B1 ist „wichtig für die Funktion des Nervensystems“, so kann es fast jeder rezitieren.
Im Vergleich zu dem sehr gut wasserlöslichen Thiamin, erreicht das fettlösliche Benfotiamin mit wesentlich größerer Molekülmasse um bis zu 700% höhere maximale Plasmaspiegel bei Anwendung von äquimolaren Mengen! Das eigentlich entscheidende für die tatsächliche Bioverfügbarkeit ist jedoch eben die Fettlöslichkeit des Benfotiamins, wenn es um das Erreichen der Nervenzellen geht.
Da die Molekülmasse von Benfotiamin etwa 1,5fach höher ist, als diejenige von Thiamin, muss dieser Faktor nur noch bei der Dosisfindung berücksichtigt werden – die Anwendung ist also sehr einfach.
Die Haupteinsatzgebiete für Benfotiamin sind Neuropathien, also hauptsächlich Nervenschädigungen durch entgleiste Stoffwechselwege, Sehnervenschutz, Nierenschutz und Herzschutz.
Die Liste der Mangelerscheinungen bezüglich Vitamin B1 ist beachtlich:
- Energiemangel, Müdigkeit, Appetitmangel
- Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels, Muskelabbau, Polyneuropathie, Ödembildung
- Konzentrationsschwäche, Gedächtnisstörungen, Reizbarkeit, Ängste, Depressionen
- Sehstörungen, Kopfscherzen
- Blutarmut, Kurzatmigkeit, verminderte Sauerstoffsättigung
- Herzversagen, Tachykardie
- Immunschwäche, fehlende Antikörperproduktion
Beim Thema Vitamin B1 sind Mangelerscheinungen auch heutzutage vielfach denkbar und wahrscheinlich, da das Thiamin in mehrfacher Hinsicht an der Verfügbarkeit im Organismus gehindert wird. Es ist erstens hitzeempfindlich, geht also beim Kochen, Braten, Backen aus der Nahrung verloren. Zweitens wird es durch Sulfite zerstört, die sich in vielen Fertiglebensmitteln wie Konserven und vor allem auch im Wein befinden. Drittens muss Thiamin im Darm vor der Aufnahme durch Enzyme umgewandelt werden, was eine intakte Enzymproduktion und -aktivität voraussetzt. Viertens ist seine Aufnahme im Darm teils konzentrationsabhängig und teils energieabhängig und auf Natriumionen angewiesen. Weiterhin ist die Speicherfähigkeit im Körper auf eine sehr geringe Menge von ca. 25 Milligramm begrenzt. Höhere Mengen werden ungenutzt ausgeschieden, so dass also eine kontinuierliche Zufuhr unabdingbar ist.
Das Benfotiamin als Reinsubstanz ist zum Beispiel bei www.alchemist.de erhältlich und kann so durch Abwiegen individuell dosiert werden ohne Zusatzstoffe oder nur umständlich entfernbare Kapselhüllen. Bei allen neurodegenerativen Vorgängen, gleichgültig ob zentral (Gehirn) oder peripher („Taubheitsgefühl“, Schmerzen, Sensibilitätsstörungen) gehört es mit zur ersten Wahl der einsetzbaren Mittel und schützt, erst recht zusammen mit DMSO, effektiv vor weiteren Nervenschäden.
Nahrungsergänzungsmittel enthalten üblicherweise etwa 150 bis 300 mg Benfotiamin, was schon eine reichliche Dosis ist. Wenn man das reine Pulver durch Einstreuen zusammen mit fetthaltiger Nahrung aufnimmt, die auf Esstemperatur abgekühlt ist, genügen durchaus auch 100 mg für eine gute kontinuierliche Aufnahme.
Benfotiamin und DMSO halte ich auch bei akuten Nervenschäden, zum Beispiel durch Verletzungen, Operationen, …, für wichtig, um die Neuroneogenese zu unterstützen. In diesem Zusammenhang „gehört“ es also zu der Gruppe von Mitteln wie etwa Theophyllin, Lithium, Taurin, N-Acetyl-Glucosamin und Methylenblau.
Tatsächlich löst sich Benfotiamin auch geringfügig in Wasser, wenn man geduldig rührt, jedoch schmeckt diese Lösung gar nicht gut und so halte ich es für besser, das Pulver direkt in das Essen zu mischen. Oder Getränke mit reichlich anderen Geschmacksstoffen.