Medizin zum Selbermachen Rundbrief
Mai 2022

DMSO neuer Wikipedia Artikel –
Der T…. steckt im Detail

Die Einträge bei Wikipedia ändern sich en passant, nicht nur zum Stichwort DMSO, und so lohnt es ab und zu nachzuschauen, was sich dort zu den unterschiedlichsten Mitteln für interessante Informationen ein- oder ausfinden oder was geändert wurde.

Längere Zeit war auf Wikipedia bekanntermaßen die Behauptung zu sehen, dass DMSO den Nieren und der Leber nicht gut tun würde, unter Verweis auf eine Literaturstelle, die beim Anklicken zu einer Geflügelzüchterzeitschrift führte, wo es in dem Artikel um Truthahn-Samen ging … . Nachdem ich diese Lachnummer bei einigen Vorträgen/Kongressen angesprochen habe, ist diese Passage inzwischen bei Wikipedia verschwunden. Insofern ein besserer Beweis für die Aktivität von Spionen, als wenn man selbst etwas auf Wikipedia ändert und dann abwartet ob es stehen bleibt.

Sowohl das Kapitel „Pharmakologie“, als auch das Kapitel „Verwendung“ wurden offensichtlich überarbeitet und jetzt, nach über 50 Jahren DMSO Anwendung, findet sich eine breite Behauptung dort: „Es besitzt bei intravenöser Anwendung verschiedene toxische Eigenschaften, die sich auf Herz, Nerven, Magen-Darm-Trakt auswirken und darüber hinaus wurden allergische Reaktionen beschrieben.[26]

Nun also nicht mehr die Leber und die Nieren mit Geflügelzüchterzeitschrift, sondern Herz, Nerven und Magen-Darm-Trakt unter Verweis auf eine (!) Literaturstelle. Dem geübten Fachartikel Leser fällt hier schon auf, dass der Verweis auf lediglich eine einzige Literaturstelle, bei der Behauptung, dass es toxische Auswirkungen auf verschiedenste Organ-/Gewebesysteme gäbe, etwas seltsam anmutet. Zum zweiten wird explizit die „intravenöse Anwendung“ erwähnt – ist jetzt auf einmal das DMSO bei äußerlicher und oraler Anwendung gar nicht mehr in der Kritik?? Man traut seinen Augen nicht. Auch fehlt eigentlich irgendeine konkrete Aussage – es hat toxische Eigenschaften, die sich auswirken … Und: Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt erwartet man eher von oralen Arzneimittel Anwendungen, oder?

Doch schauen wir uns einfach die Literaturstelle an, die hier mit dem Index 26 angegeben ist. Dieser führt zu einem Fachartikel in der Zeitschrift BioDrugs: clinical immunotherapeutics, biopharmaceuticals and gene therapy. Soweit so gut, wobei man sich schon fragt, wieso bei einer so weitreichenden Behauptung „Herz, Nerven, Magen-Darm-Trakt, Allergien“ auf einen Beitrag in einer Zeitschrift zu genbasierten therapeutischen Ansätzen gedeutet wird, also ein Nischenheft und nicht auf so etwas wie „Journal oft the american medical association“, also eines der großen renommierten Fachblätter dieser Welt. Nun gut, sind wir einfach vorerst zufrieden damit, dass uns die weltgrößte Wissensplattform nicht wieder veralbert und Geflügelzüchter Fantasien als Beweise anbietet … Oder werden wir doch wieder veralbert?

Denn beim Blick in die zitierte Forschungsarbeit wird schnell klar, dass auch hier wieder keinerlei Studien oder klinische Beweisführung zur Wirkung von DMSO enthalten ist, sondern lediglich erneut die Behauptung, dass DMSO toxische Eigenschaften hätte. Davon abgesehen, dass jede Substanz auf Erden toxische Eigenschaften hat, wenn man die richtige Dosis nicht findet/anwendet, wächst nun doch die Ungeduld mit den undurchsichtigen Vorgängen auf Wikipedia. Was bietet nun eigentlich die zitierte Arbeit mit dem Titel „Cryopreservation of NK and T Cells without DMSO for Adoptive Cell-Based Immunotherapy“ für Inhalte?

Ganz einfach: Ein Forscherteam präsentiert alternative Stoffe/Flüssigkeiten, die sie anstatt DMSO für die Kryokonservierung und Zellanzucht/Zellbehandlung entwickelt haben. Dies müssen sie gut argumentieren, denn schließlich ist DMSO nach wie vor seit 60 Jahren der Goldstandard als Zusatz zu den Zellkulturmischungen, um Zellschäden beim Einfrieren und Auftauen zu vermeiden. Nun nehmen wir also einmal die Perspektive dieser beiden US Autoren Xue Yao und Sandro Matosevic ein, die Wikipedia zitiert: Sie entwickeln im Forschungsbereich Alternativen zu DMSO, wenn es um Zellkulturen geht, die unter anderem für die Krebstherapie entwickelt werden und die man einfriert und wieder auftaut. Sie möchten diese verbreiten und irgendwann damit Geld verdienen. Dazu müssen ihre Alternativen, die voraussichtlich wesentlich teurer sind (oder sein sollen) als DMSO, sich von diesem Konkurrenten abheben. Die vermutlich angestrebte Patentierung von Alternativen setzt eine „Erfindungshöhe“ voraus, so der Fachjargon in der Patent Juristerei (mit der ich mich schon früher beschäftigen durfte) und es geht im wesentlichen also um diesen eher technischen Vorgang des Einfrierens und Auftauens von künstlichen Zellkulturen in der Petrischale, wobei das DMSO nur anteilig in den Kulturmedien vorhanden ist. Wir sprechen also über nur sehr kleine Mengen, mit denen dann der Organismus im Falle der Behandlung mit Zellpräparaten in Kontakt kommt. Schon von da her ist diese große Behauptung „Herz, Nerven, Magen-Darm-Trakt, Allergien“ irgendwie fehl am Platz in einem Hauptartikel bei Wikipedia.

Doch bleiben wir vorerst immer noch wohlwollend und schauen uns an, was nun eigentlich diese beiden Autoren als Argumente oder gar Beweise anführen, wenn sie auf angeblich toxische Eigenschaften von DMSO deuten. Und wie gesagt: Für alle Substanzen gilt „die Dosis macht das Gift“, auch für Kochsalz und Zucker. Auch diese beiden haben toxische Eigenschaften, die sich auf Herz, Nerven und Magen-Darm-Trakt auswirken – oder?

Im Abstract selbst wird keine Literaturstelle angegeben, die die Behauptungen stützen würde. Yao und Matosevic zitieren in ihrer Veröffentlichung dann insgesamt 202 Literaturstellen und es ist keine einzige dabei, die sich auf die Anwendung von reinem DMSO als Arzneimittel bezieht. Immer geht es um die Anwendung der Zellpräparate, die im Labor kultiviert wurden und dann irgendwann Probanden oder Patienten im Rahmen von Stammzellentherapien oder Transplantationen verabreicht werden. Lediglich einmal scheint ein Titel auf, der entfernt etwas mit der dauerhaften Exposition mit DMSO zu tun haben könnte: „Safety concerns in a pharmaceutical manufacturing process using dimethyl sulfoxide (DMSO) as a solvent.“ Eventuelle Nebenwirkungen aus den „künstlichen“ Zelltherapien werden offensichtlich eilig dem DMSO in die Schuhe geschoben – wie gesagt, man möchte ja „neue“ Präparate entwickeln, patentieren, verkaufen.

Dass man mit dem alten Hut DMSO, der die Zellpräparation im Labor seit 60 Jahren überhaupt möglich macht, keine Golddukaten verdienen kann, ist sowieso klar. Die oberste Regel in Industrie und Marketing heißt nach wie vor: „Das bessere ist des guten Feind.“ Insofern sind Verkäufer auf der ganzen Welt stets darum bemüht, ihr Produkt besser aussehen zu lassen, als das bisherige. Es steht außer Frage, dass man Flüssigkeiten finden kann, die das schadensfreie Einfrieren von Zellen noch besser unterstützen als DMSO, doch was hat das alles mit der therapeutischen Anwendung von DMSO selbst zu tun?

Fazit: Was Wikipedias DMSO Hauptartikel betrifft, so ist die langjährig dort zu findende Behauptung, dass es Nieren und Leber schaden würde einfach verschwunden und statt dessen finden wir nun die Behauptung, dass es Herz, Nerven und dem Magen-Darm-Trakt schaden soll. Die dafür angeführte einzige Literaturstelle führt zu einem Nischenjournal und beschäftigt sich mit Stammzellenkultivierung im Forschungslabor. Diesmal keine Truthahn-Samen wohlgemerkt, aber irgendwie auch nicht zielführender. Vor allem: Wie kann es sein, dass man heute so und morgen so schreibt? Nach 60 Jahren weltweiter therapeutischer DMSO Anwendung mit einer einzigen fachfremden Literaturstelle versehen? Und die vielen vielen Veröffentlichungen, die im Zuge von echten klinischen Studien dem DMSO immer wieder eine hohe Verträglichkeit bescheinigten, sogar bei unüblich hohen Dosierungen, wo sind die? Ja, sie sind in Das DMSO Handbuch zu finden.

Erfreuliches zum Schluss: Der Wikipedia Artikel enthält auch sinnvolle Inhalte, etwa wenn unter dem Abschnitt „Verwendung“ erklärt wird, dass DMSO nicht parallel zu Chemotherapeutika angewendet werden sollte – ein Hinweis, den ich seit Jahren gebe, da es zu starken Wechselwirkungen mit verschiedenen Substanzen der derzeitigen offiziellen Krebsmedizin kommen kann.

Weiterhin eine Verlinkung zu einer interessanten DMSO-Kurzübersicht in englischer Sprache, wobei man alles was unter dem letzten Abschnitt „nicht bewiesen“ steht, als schöne Anregung, als Steilvorlage, für die vielen Einsatzfelder von DMSO nehmen kann, in denen es sich als Erfahrungsmedizin seit Jahrzehnten bewährt hat.

Die Botschaft heißt: Wenn irgendwo zu irgendeinem Mittel etwas behauptet wird – erstmal in Ruhe den Spuren nachgehen und die angeführten Veröffentlichungen genau studieren. Wie in diesem Fall auch, findet man ganz oft nur „heiße Luft“, womit man jedoch viele Menschen verunsichern kann – das sehen wir auf zahlreichen Themengebieten …