Medizin zum Selbermachen Rundbrief
Februar 2025

Weinsäure/Seignette-Salz –
Altes Mittel für die Moderne

Seidlitz-Pulver ist eine simple Mischung aus Weinsäure, Seignette-Salz und Natron. Dieses war schon Mitte des 19. Jahrhunderts sehr populär, da es sich um ein vielseitig verwendbares Brausepulver handelte – die Säure und das Natron reagieren unter CO2 Abgabe und es zischt. Von der emotionsgeladenen Geschichte dieses Arznei-Pulvers berichtet ein erhellender Beitrag mit dem Titel „Aufbrausend und umkämpft – Die Seidlitz Powder Angelegenheit“, im Fachmagazin Geschichte der Pharmazie, Jahrgang 65, Seite 10 – 16, vom April 2013, von Dr. Thomas Langebner, Linz. https://www.researchgate.net/profile/Thomas-Langebner/publication/285234593_Aufbrausend_und_umkampft_Die_Seidlitz-Powder-Angelegenheit/links/565ca76d08aeafc2aac717f4/Aufbrausend-und-umkaempft-Die-Seidlitz-Powder-Angelegenheit.pdf

Wir sehen daran, dass im Erfolgsfall von Behandlungen und auch im Erfolgsfall des Produktverkaufs, die Befürworter und Anwender von natürlichen, „alternativen“ Mitteln schon sehr lange Zeit auch stets eine Heerschar von Kritikern und eifernden Gegnern hervor bringt. Es finden sich sonderbar aktuell anmutende kriminalistisch Berichte zu Rechtsstreitigkeiten rund um das Seidlitzpulver, wie dieser aus dem Jahr 1855 einer Wiener Gerichtszeitung, in köstlicher Sprache:

 

Facultäts-Angelegenheiten.

In Nr. 11 der in Wien erscheinenden Allgemeinen österreichischen Gerichtszeitung vom 25. Jän. 1855 wird sub Z. 11384 eine Entscheidung des h. obersten Gerichts- und Cassationshofes vom 21. Nov. 1854 in Betreff des Verkaufs der Seidlitzpulver mitgetheilt, bei welcher unter den Motiven derselben auch eine Note der medicinischen Facultät erwähnt wird, und zwar in folgender Weise: „Nun ist aber in keinem die Heilmittel betreffenden Gesetze das Seidlitzpulver als ein inneres oder äusseres Heilmittel bezeichnet oder dessen Verkauf den Materialwaarenhändlern untersagt. Eben so wenig ist diess nach Inhalt der Note der medicinischen Facultät vom 16. März 1854 der Fall.“

Da nun in keinem Actenstücke der Facultät eine derartige Auseinandersetzung über die Qualification der Seidlitzpulver enthalten ist, welche die oben erwähnte Deduction rechtfertigen könnte, und diess auch der allgemein herrschenden Ueberzeugung der Aerzte über die Natur der Seidlitzpulver widerspricht: so sah sich das Doctoren-Collegium der medicinischen Facultät veranlasst, über diesen Gegenstand einen aufklärenden Bericht dem hohen k. k. Ministerium der Justiz zu erstatten, der in der Sitzung des Geschäftsrathes vom 13. März 1. J. von Dr. Schneller referiert und einstimmig angenommen wurde.

Nachdem in diesem Berichte erörtert wird, dass die angeführte Note der medicinischen Facultät keine andere sein kann, als die des Doctoren-Collegiums der med. Fac. v. 16. März 1854 Z. 1126/37 an den Wiener Magistrat, folgt weiter, dass selbe ihrem Inhalte nach nichts weniger als ein Gutachten, sondern blos eine einfache Anzeige an den Magistrat war in einer rein gewerblichen Angelegenheit, nämlich über die Gewerbsbefugnisse des Apothekers und des Materialisten, veranlasst durch die marktschreierische Ankündigung der Seidlitzpulver.

In dieser Note kommt ferner keine Stelle vor, worin das Seidlitzpulver als ein inneres oder äusseres Heilmittel bezeichnet würde, eben so wenig wird darin gesagt, das Seidlitzpulver sei kein Heilmittel; mit einem Worte, das Verhältniss der Seidlitzpulverals Heilmittel bleibt ganz unberührt, da diess auch zum Gegenstande der fraglichen Note nicht gehörte; es lag vielmehr die Annahme der Seidlitzpulver als Arznei viel näher, weil sie in der fraglichen Note unter die Apothekerwaaren subsumirt erscheinen.

1827 Z. 15332, aufrecht erhalten mit Hofkammerdecret vom 19. August 1836 Z.36718, Reg. Verord. v. 8. Sept. 1836 Z. 49302, sind die Materialisten wohl berechtigt zum Verkaufe von Medicinalwaaren, d.i. Medicinalstoffen, aus denen erst Arzneien verfertigt werden, im Grossen sowohl als auch im Kleinen, mit Ausnahme jener, die aus Polizei und Sanitätsrücksichten durch erlassene Vorschriften ihnen namentlich zu verkaufen ganz verboten wurden, oder deren Verkauf blos auf den Verschleiss im Grossen ausdrücklich beschränkt wurde; dagegen sind sie aber nicht berechtigt, Arzneien, welche der Apotheker über ärztliche Ordination erst selbst verfertigen muss und die blos zum Medicinalgebrauche dienen, zu bereiten und zu verkaufen.“

Nun gehört aber das Seidlitzpulver nicht zu den Medicinal-Waaren d. i. jenen Medicinalstoffen, aus denen erst Arzneien verfertigt werden, sondern es ist selbst ein aus drei verschiedenen Arzneistoffen bestehendes Mittel, welches noch dazu in zwei Pulvern verabreicht wird, wovon das im blauen Papiere aus weinsaurem Natron-Kali (Seignettesalz) und doppelt-kohlensaurem Natron, das im weissen Papier aus Weinsteinsäure besteht, es ist daher ein zusammengesetztes förmlich zubereitetes, gepulvertes, sehr fein verriebenes Arzneimittel, zu dessen Verkaufe die Materialisten nicht befugt sind.

Dass ferner das Seidlitzpulver zur Kategorie der Arzneien gehört, geht daraus hervor, dass 1. dessen Gebrauch als Abführmittel nicht blos ein allgemein verbreiteter, jedem Laien bekannter, d. i. ein notorischer ist, sondern dass es auch von den Aerzten als ein kühlendes Abführmittel bezeichnet wird. 2. Ist dasselbe in der neuen mittelst h. Erlasses des Min. des Inn. sanctionirten Pharmacopõe vom Jahre 1855 pag. 152 Zahl 588 in die Reihe der vom Apotheker zu bereitenden Arzneimittel als Pulvis aërophorus Seidlitzensis (Seidlitz Powder Anglorum) und mit Erlass der h. n. ö. Statthalterei vom 26. Febr. 1. J. Z. 1958 unter die für die Apotheker Wiens und des flachen Landes in Niederösterreich bestimmten Medicamina obligata aufgenommen.

Dasselbe wird endlich 3.blos zum Medicinalgebrauche verwendet, und zu keinem anderen etwa technischen u. dgl. Zwecke, es ist daher auch aus diesem Grunde ihr Verkauf den Materialwaarenhändlern nicht gestattet.

Am Schlusse des Berichtes folgt noch die Erklärung, dass das Doctoren-Collegium, wenn es von der Behörde darum befragt worden wäre, sich mit Bestimmtheit gutächtlich dahin geäussert haben würde, dass das Seidlitzpulver ein zusammengesetztes inneres Heilmittel ist, dessen Verkauf den Materialisten gesetzlich nicht zusteht.

Es ist ferner in letzterer ausdrücklich angeführt, dass der Materialwaarenhändler E. zum Verkaufe von Seidlitzpulvernicht befugt ist. Da es aber in Bezug auf den Verkauf von Arzneien nur bestimmte Normen für alle derlei Gewerbe ohne Ausnahme gibt: so musste wohl entnommen werden, dass nach der Note nicht blos dieser, sondern überhaupt alle Materialisten zum Verkaufe von Seidlitzpulver nicht befugt sind. Denn nachdem unter den Entscheidungsgründen selbst citirten Hofkammerdecrete vom 14. April V. Personalien.

 

Soweit dieser Bericht, der uns über Materialwaarenhändler, Materialisten, Doctoren-Collegium, sanctionirte Pharmakopoe sowie Medicinalstoffen aufklärt.

Auf Wikipedia lesen wir: „ … Bedeutsam ist die Fähigkeit der Weinsäure, mit Metallen Komplexe zu bilden: Bei diesen Komplexen wird das Metall-Kation durch die Weinsäure fester gebunden, als bei den meisten anderen organischen Säuren. Dadurch ergeben sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Kaliumnatriumtartrat wird beispielsweise als Komplexbildner … eingesetzt, Weinsäure zur Oberflächenbehandlung von Kupfer- und Messingartikeln. Letztere kann ebenfalls zur Reinigung schwermetallkontaminierter Böden verwendet werden, da sie hier giftige bindet, aber selbst biologisch abbaubar ist. …“

Und weiter heißt es: „ … In größerem Maßstab findet nur die L-Weinsäure Verwendung, da sie das Produkt der meisten Syntheseverfahren von Weinsäure darstellt. 50 % der produzierten L(+)-Weinsäure gehen in die Lebensmittelindustrie und Pharmazie, die andere Hälfte in technische Anwendungsgebiete. Weinsäure wird (auch) als Ingredienz von Desinfektionsmitteln verwendet. … Der offensichtlichste Anwendungsbereich der Weinsäure liegt in ihrer Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff. Die in diesem Bereich als E 334 bezeichnete L-Weinsäure findet sich nicht nur natürlich in vielen Lebensmitteln, sondern wird aufgrund ihrer geschmacklichen und konservierenden Eigenschaften auch vielen Lebensmittel-Mischprodukten zugesetzt. Weinsäure wird bei der Bereitung von Speiseeis, Kunsthonig, Obst, Limonaden und Erfrischungsgetränken, Gelee, Weingummis und Konditorwaren, z. B. zur Stabilisierung von Cremes und Schäumen, und bei der Säuerung säurearmer Weine verwendet. Die orale Toxizität der L-Weinsäure war im Tierversuch mit Ratten äußerst gering; die LDLo lag für Ratten bei oraler Gabe bei 7500 mg/kg Körpergewicht.“

Aus Zitiertem geht hervor, warum die Weinsäure und ihre Salze wie Kaliumnatrium-Tartrat, sowie das Mischprodukt Seidlitzpulver, sowohl im Bereich der Schulmedizin, als auch im Bereich der integrativen Medizin eingesetzt wurden und werden. Denn wir haben es hier mit einem natürlichen, milden Metallausleitungsmittel zu tun, welches unter anderem auch Calcium im Blutstrom erfasst und deshalb Gefäßablagerungen verhindern und/oder sanft abbauen kann. Und Gefäßablagerungen waren auch vor 100 Jahren schon eine häufige Ursache von Symptomen und Erkrankungen, denn die hauptsächlich tierische und auf Gräßersamen (Getreide) basierende Ernährung, sowie der Alkohol, die letztendlich schon mit den Römern um die Zeitenwende nach „Gallien und Germanien“ kam, verursachen schon sehr lange Zeit „Ablagerungserkrankungen“ in der breiten Bevölkerung. Auch wenn die physiologisch-biochemischen Zusammenhänge zur Mitte des 19 Jahrhunderts noch nicht durchschaut waren, spürten viele Menschen die wohltuenden Wirkungen der Weinsäure und ihrer Salze natürlich schnell und insofern haben wir es hier wieder mit einem wunderbaren Fall der traditionsreichen Erfahrungsmedizin zu tun.

Während die Mischung aus Weinsäure, Seignette Salz und Natron historisch beliebt war, auch weil sie eine Brause ist, können Weinsäure und/oder Seignette Salz natürlich auch unabhängig vom Ahoi-Brause Effekt genutzt werden. Da es inzwischen Getränkemärkte gibt, die tausende Brausen anbieten, benötigen wir das Zischen vielleicht nicht mehr so sehr als Anwendungsmotivation.

Andererseits ist die Weinsäure als Reinsubtanz durchaus eine starke Säure, die ein „Ätzend“-Symbol auf der Packung trägt und kann somit bei ungepufferter Einnahme zu Schleimhautreizungen im Magen-Darm-Trakt führen.

Deshalb ist die einfachste und sinnvollste Anwendung der Weinsäure, diejenige in Form des Kalium-Natrium-Salzes, also das reine Seignette-Salz.

Weinsäure und ihre Salze reihen sich ein, in die Gruppe der sogenannten alpha-Hydroxycarbonsäuren. Diese kennen wir schon als bedeutende Gesundheitszutaten zum Beispiel in Form von Milchsäure, Äpfelsäure oder Mandelsäure. Dennoch hat die Weinsäure darin einen speziellen Platz, weil es sich bei ihr um eine „doppelte“ alpha-Hydroxycarbonsäure handelt.

Durch dieses zweimalige Vorhandensein der elektronenreichen Hydroxycarbonsäure-Gruppe ist sie prädestiniert für das Umklammern von positiv geladenen Metall-Ionen, den sog. Kationen, da bei diesen die positive(n) Ladung(en) auf einem kleinen Volumen konzentriert sind. Als natürliches Chelat-Mittel hat es deshalb heute erneut Bedeutung für die Ausleitung von Metallen – ein Themenbereich innerhalb der integrativen Medizin, der immer wichtiger wird und gleichzeitig nachweisbare Anwendungserfolge zeigt. Wie bei anderen Chelat-Mitteln auch, werden am besten lediglich sehr kleine Mengen angewendet.

Salze der Weinsäure finden sich in der Natur nicht nur in den Weintrauben-Gewächsen, sondern auch im Löwenzahn und schwarzem Pfeffer, in Zuckerrüben, Vogelbeeren, Ananas, Agaven u.a..

All diese Gaben der Natur können also neben der gezielten Anwendung der Reinsubstanz ebenso als „ausleitend“ und „entgiftend“ genutzt werden und haben dementsprechend auch eine lange Tradition in der Naturheilkunde.

Vom Seignette-Salz, beispielweise von Firma www.alchemist.de, kann man sich einfach ca. 100 Milligramm abwiegen und verteilt diese im Essen, in Smoothies oder Säften nach Belieben. Etwa zwei Anwendungen pro Woche sind ein guter Anfang und dann kann man sich individuell weiter herantasten.

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